Cloudia

Bis etwa Juni 2020 galt Südafrika der Weltgesundheitsorganisation noch als Musterbeispiel in Sachen Infektionsvermeidung. Tatsächlich gelang es durch drastische Hygienemaßnahmen den vielzitierten R-Wert deutlich geringer zu halten als in vielen anderen Ländern. Dies hat sich inzwischen durch verschiedene Lockerungen zwar leider geändert, dennoch ist der südafrikanische Lockdown noch immer strenger als er in Deutschland jemals war. Das hat insbesondere für die vielen Tagelöhner:innen in Südafrika dramatische Folgen. Hierzu gehört auch Mercy, Cloudias Mutter, die nun nicht wie sonst üblich an den gängigen Jobbörsen, nämlich den größeren Taxiparkplätzen, auf Arbeitssuche gehen kann, weil diese Plätze wie leergefegt sind. Um nun nicht betteln gehen zu müssen, wurde Mercy kreativ und hat begonnen, aus bunten Stoffen Hausschuhe zu nähen, zu verzieren und zu verkaufen. Zu ihrer großen Freude bestellte eine unbekannte Frau aus dem benachbarten Township Mabopane per Internet einige Schuhe bei ihr. Um Mashiko, die jüngste Tochter, nicht allein zu Hause lassen zu müssen, schickte Mercy Cloudia nach Mabopane, um die Schuhe auszuliefern. Zu Cloudias völligem Entsetzen entpuppte sich die unbekannte Frau jedoch als eine Gang von vier Männern, die Cloudia in einen Van zerrten, ihr sämtliche Wertsachen (Schuhe, Geld, Handy) abnahmen, mit ihr ins ca. 20 km entfernte Winterveld fuhren und sie dort auf freiem Feld aus dem fahrenden Auto warfen. Nur aufgrund der Tatsache, dass kurze Zeit später ein Streifenwagen der Polizei vorüberfuhr, konnte sie überhaupt wieder nach Hause gebracht werden. Da sie noch eine Woche später Schmerzen aufgrund des besagten Sturzes verspürte, ließ sie sich im Krankenhaus untersuchen. Glücklicherweise konnten jedoch keine größeren Verletzungen festgestellt werden. Allerdings hatte diese Entführung für Cloudia nicht nur physische, sondern auch psychische Folgen: aufgrund des traumatischen Erlebnisses war es Cloudia nicht mehr möglich, in ein Taxi zu steigen. Da jedoch die Züge zwischen Ga-Rankuwa und Pretoria aufgrund er gestohlenen Oberleitungen noch immer nicht fahren, war Cloudia die vergangenen Monate stets auf Taxis angewiesen, um in die Schule zu kommen. Einige Zeit lang war es Cloudia somit nicht möglich, die Schule zu besuchen. Ihrer Mutter ist es inzwischen aber gelungen, einen Fahrer zu finden, der ausschließlich Schüler*innen in die Stadt und wieder nach Hause fährt. In diesem Kleinbus, in dem sonst nur Kinder und Jugendliche sitzen, fühlt sich nun auch Cloudia sicher genug, um wieder regelmäßig am Unterricht teilnehmen zu können. Wir sind überaus dankbar dafür, dass das nun wieder möglich ist und vor allem dafür, dass Cloudia bei der Entführung lediglich die Wertsachen entwendet wurden und ihr noch Schlimmeres erspart blieb!