Wenngleich auch in Südafrika derzeit das Coronavirus den Alltag bestimmt bzw. teilweise lahmlegt, so gibt es dennoch Plagen, die das Land schon seit wesentlich längerer Zeit bedrohen und auch weiter bedrohen werden, allen voran die geschlechtsbezogene Gewalt gegenüber Frauen. Während damit zu rechnen ist, dass Covid-19 mittelfristig medikamentös bzw. durch Impfungen erfolgreich bekämpft werden kann, fällt die Prognose im Blick auf die Bekämpfung der Geschlechterungerechtigkeit in Südafrika wesentlich ernüchternder aus. Wie verheerend die Lage derzeit ist, zeigt die jüngste Statistik der Weltgesundheitsorganisation, derzufolge es in Südafrika alle 3 Stunden zu einem Femizid kommt, also einem Mord an einer Frau bzw. einem Mädchen aufgrund ihres Geschlechts. Damit liegt Südafrika auf dem unrühmlichen vierten Platz der weltweiten Rangliste (lediglich hinter Honduras, Jamaika und Lesotho). Für den offenkundig desolaten Zustand der südafrikanischen Gesellschaft gibt es mit Sicherheit zahlreiche Gründe, von denen hier drei beispielhaft genannt seien:

Erstens. Die aktuellen Ermittlungen bezüglich einer möglichen Einflussnahme der Magnatenfamilie Gupta auf die Regierungsgeschäfte von Ex-Präsident Jacob Zuma zeigen, dass Verbrechen wie z.B. Korruption in den letzten Jahren bagatellisiert worden sind und somit dem südafrikanischen Staat und nicht zuletzt auch seiner Bevölkerung der moralische Kompass abhanden gekommen ist. Dies wurde auch kürzlich durch ein Interview mit Frederik Willem de Klerk, dem Amtsvorgänger von Nelson Mandela, deutlich, in welchem de Klerk betonte, Apartheid sei nicht mit Genozid zu vergleichen und hieraus schloss, dass Apartheid kein Verbrechen sein könne. Später entschuldigte er sich zwar für diese Aussage, doch da waren viele alte Feindbilder längst wieder wachgerufen.

Zweitens. Laut Erhebungen des South African Institute of Race Relations wachsen knapp 62% aller südafrikanischen Jungen ohne Vater auf. Das bedeutet, dass den Kindern, Teenagern und Jugendlichen in der Regel auch ein positives männliches Vorbild im Umgang mit Frauen und Mädchen fehlt. Schlimmer noch: wenn man bedenkt, dass die Väter in den allermeisten Fällen noch am Leben sind, haben viele Jungen sogar ein ausgesprochen negatives Vorbild, nämlich das eines Mannes, der Frauen für sexuelle Abenteuer benutzt und sie dann mit dem daraus entstandenen Nachwuchs alleine lässt.

Drittens. In den Jahren 2016 und 2017 wurde im Johannesburger Township Diepsloot eine Studie von Sonke Gender Justice durchgeführt, die gezeigt hat, dass über die Hälfte der befragten Männer bereits mindestens ein Mal eine Frau vergewaltigt hatten und dass 85% der Täter selbst unter in der Kindheit verursachten Traumata litten, die entweder durch physische Gewalt, durch sexuelle Gewalt oder durch Vernachlässigung hervorgerufen wurden. Ähnliches zeigte sich auch bei den Opfern: wer als Kind bereits vergewaltigt worden war, für den bzw. die wuchs die Wahrscheinlichkeit, auch im Erwachsenenalter wieder vergewaltigt zu werden.

Die hier angeführten Gründe zeigen, wie elementar wichtig es ist, Kindern Aufmerksamkeit zu schenken, ihnen zuzuhören, Sorgen zu teilen, ihnen ein positives Vorbild zu sein und moralische Orientierung zu bieten. Dies sind einige der Ziele, die wir mit den Kids Clubs in Ga-Rankuwa und Oukasie verfolgen. Auch wenn unsere Angebote begrenzt sind, so können sie doch für ein einzelnes Kind den entscheidenden Unterschied machen. Wir bitten daher weiterhin um Unterstützung für diese wichtige Arbeit und bedanken uns ganz herzlich bei allen, die bereits Unterstützer*innen sind!